Formalitäten bei einer Praxisübernahme
Mit der Praxis erfolgreich starten
Lesezeit: 10 Min.
Wie schon die Approbation, die (erste) Kammeranmeldung oder die Assistenz- und Weiterbildungszeit zuvor, so bringt auch die Praxisübernahme einiges an rechtlichen Fragen mit sich. Folgend möchten wir das Thema Praxisübernahme und Arbeitsverhältnisse näher beleuchten.
Eine Praxis ist gefunden, die Gespräche mit dem Abgeber schreiten gut voran und die Bank macht ein attraktives Finanzierungsangebot. Doch was kommt aus den Arbeitsverhältnissen auf Sie zu?
Die Übernahme der Praxis heißt im Arbeitsrecht Betriebsübergang, dessen Folgen gesetzlich in § 613a BGB geregelt sind. Kurz gesagt: Wer eine Praxis kauft und weiter betreibt, der kauft auch die Mitarbeiter. Und zwar mit allem, was dazu gehört.
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Daher gehen die Arbeitsbedingungen so über, wie sie individuell von dem Abgeber mit jedem einzelnen Mitarbeiter vereinbart wurden, auch Ansprüche der Mitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis, wie beispielsweise Resturlaubsansprüche aus Vorjahren, gehen ebenfalls unverändert auf den Praxiskäufer über. Aus Sicht der Mitarbeiter wird im Grunde fingiert, dass ein Wechsel des Praxisinhabers gar nicht stattgefunden hat.
Ich habe hier bewusst den weiten Begriff „Arbeitsbedingungen“ verwendet und nicht den Begriff „Arbeitsvertrag“. Denn der Praxiskäufer muss sich nicht nur künftig weiterhin an das halten, was in einem Arbeitsvertrag niedergeschrieben ist, der womöglich vor Jahrzehnten geschlossen und nie mit Nachträgen um neue Vereinbarungen ergänzt wurde. Viel häufiger sehen wir in der Beratungspraxis, dass sich das echt gelebte Arbeitsverhältnis sehr weit von dem entfernt hat, was einmal schriftlich vereinbart worden war. Das macht es für einen Praxiskäufer sehr schwierig, einen vollständigen Überblick über das Personal und damit auch die Personalkosten zu gewinnen.
Eine recht einfach zu erkennende Abweichung zwischen dem niedergeschriebenen Arbeitsvertrag und den wirklichen, alltäglich gelebten Arbeitsbedingungen ist es noch, wenn sich schlicht das Gehalt verändert hat, Arbeitgeberzuschüsse zu einer betrieblichen Altersversorgung oder eine Fahrtkostenerstattung vom Arbeitgeber gewährt werden. Denn das sehen Sie leicht in den Gehaltsabrechnungen, die der Praxisabgeber Ihnen vorlegen muss, wenn die Kaufverhandlungen weiter voranschreiten sollen.
Dabei ist es wichtig, sich nicht nur wenige Gehaltsabrechnungen des aktuellen Jahres zeigen zu lassen, sondern alle Gehaltsabrechnungen eines ganzen Jahres. Denn häufig stehen den Mitarbeitern Ansprüche auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bzw. ein „13. Gehalt“ zu, die nie im Arbeitsvertrag festgehalten worden sind. Solche Zahlungen an die Mitarbeiter erfolgen regelmäßig nur ein- oder zweimal im Jahr und werden übersehen, wenn nur einige aktuellere Gehaltsabrechnung vorgelegt werden.
Problematisch zu erkennen sind auch andere Arbeitsbedingungen bzw. Ansprüche von Mitarbeitern, die nicht schriftlich zwischen dem Abgeber und Mitarbeiter fixiert wurden. Die mündlich zugestandene Erhöhung des Urlaubsanspruchs zum Beispiel oder aber Ansprüche auf „Sonderurlaub“ an Heiligabend oder Silvester. Auch Resturlaubsansprüche aus dem Vorjahr oder Ansprüche auf Auszahlung oder Ausgleich von Überstunden können sich über Jahre ansammeln – nach dem Betriebsübergang hat der Praxiserwerber im Verhältnis zwischen ihm und den Mitarbeitern diese Ansprüche zu erfüllen. Ob der Praxiserwerber dann eine Erstattung von dem Praxisabgeber verlangen kann, ist ein Punkt, der im Praxisübernahmevertrag geregelt werden sollte. Hier hilft es nur, den Abgeber auszufragen und die Auskünfte im Praxiskaufvertrag mit einer Garantie über die Richtigkeit der Angaben zu versehen.
Und die ungeschriebenen Arbeitsbedingungen einfach abändern – es ist ja nichts schriftlich dokumentiert? Das dürfte bei den Mitarbeitern für Unruhe sorgen, ist aber auch rechtlich problematisch. Denn hat der Abgeber mehrfach eine Leistung gewährt, kann allein hieraus ein Anspruch des Mitarbeiters entstehen, auch künftig diese Leistung zu erhalten – ganz ohne jede mündliche Absprache oder schriftliche Fixierung. Diese Ansprüche aus betrieblicher Übung bleiben im Fall der Praxisübernahme dem Mitarbeiter erhalten und können nicht durch den Praxiskäufer so einfach gekündigt werden.
Zum Glück gilt dies aber nicht bei allen im Praxisalltag wichtigen Themen, bspw. der Lage der Arbeitszeit und Pausen oder hinsichtlich der konkret dem jeweiligen Mitarbeiter zugewiesenen Arbeitsaufgaben und die Organisation der Arbeitsabläufe. So zumindest, wenn der Abgeber hierzu keine verbindlichen Zusagen gemacht hat, sondern schlicht im Arbeitsalltag jahrelang in gleicher Weise verfahren worden ist, kann der Praxiskäufer hier neue Vorgaben machen. Allein die Tatsache, dass ein Mitarbeiter über mehrere Jahre stets nur assistiert hat, bedeutet beispielsweise nicht, dass man ihn künftig nicht an der Rezeption einsetzen dürfte.
Bei den Kaufverhandlungen ist es daher sehr wichtig, sich ein umfassendes Bild über die von dem Praxisabgeber gegenüber den Mitarbeitern gemachten Zusagen zu verschaffen und nicht nur die Arbeitsverträge zu prüfen, sondern sich auch die Gehaltsabrechnungen genauer anzuschauen und im Gespräch mit dem Praxisabgeber weitere bestehende Ansprüche der Mitarbeiter zu erfragen.
Jens Schuchmann
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Dr. Pütz, Zimmer & Partner mbB – Rechtsanwälte und Steuerberater
www.pzp-rws.de
pzp@pzp-rws.de
Tel.: 06126 9958 10
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